Die freudlose Gasse

Regie:
Georg Wilhelm Pabst
Autor:
Willy Haas
Vorlage:
"Die freudlose Gasse", 1924, R
Autor Vorlage:
Hugo Bettauer
Land: D
Jahr: 1925
Länge: 151 min.
Format: 1,33 : 1
schwarz-weiß

Wien 1921. In der Melchiorgasse stellen sich die Frauen schon in der Nacht an, wenn es beim Fleischhauer Werner Krauss (Josef Geiringer) Fleisch gibt. Unter ihnen sind Greta Garbo (Grete Rumfort), Tochter des Hofrats Jaro Fürth (Josef Rumfort), und Asta Nielsen (Marie Lechner), Tochter des einbeinigen Veteranen Max Kohlhaase (Lechner). Junge Frauen bekommen bei Krauss leichter Fleisch, wenn sie ihm in seinen Hinterraum folgen. Wenige Häuser entfernt unterhält die Modistin Valeska Gert (Frau Greifer) in Nebenräumen ein Salonbordell. Das Hotel Merkl, Treff für Paare, ist daneben. Im Hotel Carlton bereden der Konsul Robert Garrison (Don Alfonso Canez) und der Bankdirektor Karl Etlinger (Max Rosenow) eine Manipulation der Aktien der Petrowitzer Berkwerke. Etlingers junger Assistent Henry Stuart (Egon Stirner) bekommt von Etlingers Tochter Agnes Esterhazy (Regina Rosenow) bedeutet, er müsse Geld machen, wenn er sie wolle. Stuart hat es leichter bei der Rechtsanwaltsgattin Tamara Tolstoi (Lia Leid), die unbedingt mit ihm ins Hotel Merkl will. Doch die bisherige Freundin von Stuart war Nielsen, die ihm unbedingt 100 $ Startkapital verschaffen möchte. Um das möglich zu machen, lässt sich die nichtsahnende Nielsen bei Gert mit Garrison ein. Der geht mit ihr ins Hotel Merkl. Dort sieht sie Stuart mit Esterhazy. Hofrat Fürth hat inzwischen seine Staatsanstellung gegen Gelds abfinden lassen, auf Baisse der Petrowitzer Bergwerke spekuliert und sein Geld verloren. Garbo verliert ihre Büroanstellung, weil sie ihrem Chef M. Rastakoff (Trebitsch) nicht zu Willen ist. Ungern nimmt Fürth als Untermieter Einar Hanson (Lt. Davis) von der amerikanischen Schutzkommission auf, doch der zahlt 60 $ im Monat und verliebt sich in Garbo. Tolstoi wird im Hotel Merkl erwürgt und ohne Schmuck aufgefunden. Der Verdacht fällt zunächst auf Garrison. Doch als Konsul kann er nur ersucht werden, die Stadt zu verlassen. Das tut der, gibt aber Stuarts Namen der Polizei als Tip. Stuart wird verhaftet. Da tritt Nielsen auf den Plan, gesteht die Tat. Auch Esterhazy, die von ihrem Vater enterbt wurde, hält zu ihm. Hanson, der von Fürth aus dem Zimmer gejagt wurde, trifft Garbo im Etablissement von Gert wieder und ist entsetzt, bis er ihre Not einsieht. Hertha von Walther (Elsa), eine junge Mutter, erschlägt Krauss, als der ihr das für ihr Kind notwendige Fleisch verweigert. Von Walther und ihr Mann sterben in ihrer brennenden Dachwohnung. Das Kind wird gerettet. Stummfilm.

Hugo Bettauer, einer der umstrittensten, aber auch erfolgreichsten Schriftsteller seiner Zeit, der Sozialkritik mit Erotik verknüpfte, war einen Monat vor der Premiere dieses Films in Wien ermordet worden. Und weil das darunterliegende Thema (Sex gegen Geld) weit über die Inflationszeit hinausreicht, war es kein Wunder, dass sich der Verfilmung des Romans von Pabst weltweit die Zensurbehörden unter den verschiedensten Aspekten annahmen. Der heutigen Rekonstruktion fehlt eine halbe Stunde – aber der Film ist rund und lang genug. Der Abstraktionsfähigkeit des Themas wegen stört es nicht, dass Wien nur mit einer Gasse und einem Hotel im Atelier vorkommt und dass nirgends die Inflation direkt erwähnt wird. Und der amerikanische Leutnant sieht nicht ganz zu unrecht mehr Sittenlosigkeit als Elend – in diesem Film. Doch eigentlich geht es Pabst um das innere Elend, das aus Pseudobeziehungen aller Art entsteht, und er hat dazu Unterstützung von einer Riege von Starschauspielern. Garbo wäre damals lieber in Deutschland geblieben, aber die Geschichte wollte es anders. Der Stoff wurde 1938 in Frankreich erneut verfilmt.

Mit Grigori Chmara (adliger Kellner), Ilka Grüning (Frau Rosenow), Mario Cusmich (Col. James Irving), Alexander Mursky (Dr. Leid), Loni Nest (Mariandl Rumfort), Gräfin Tolstoi (Frl. Henriette), Edna Markstein (Frau Merkl, Hotelbesitzerin), Otto Reinwald (Elses Mann), Krafft-Raschig (US-Soldat).